Der Heckeneilzug Frankfurt - Bremen E451/E452
Sommer 1965. Ich bin 11 Jahre alt. Schulschluss, es ist kurz vor Mittag. Um 11.59 Uhr soll der Eilzug Bremen-Frankfurt in Büren einlaufen. Ich habe noch ein paar Minuten, dann kann ich ihn wunderbar sehen, wie er 350m von uns entfernt auf der Heide am VEW-Umspannwerk vorbeifährt. Unser Küchenfenster liegt im oberen Stock, die Aussicht ist prima. Ja, das Pfeifen der V100 ertönt am Bahnüberweg Menkenberg, da rollt er an mir vorbei. 6 lange Eilzugwagen schleppt die Diesellok hoch ins Sauerland. Eine kleine Weltreise. Um 7.29 Uhr ist der E452 in Bremen Hbf gestartet, um 16.37 Uhr wird er in Frankfurt Hbf einlaufen. Da kannst du gewissermaßen die Uhr nach stellen. Mehr als neun Stunden in den Wagen aushalten müssen? Nein, du darfst über neun Stunden in diesem tollen “Bummelzug” über 443km mitfahren. Du wirst sogar bedient. Es kommt jemand mit einem Rollwagen durch die Gänge und verkauft dir Kaffee, Tee, Wasser, Limonade oder Süßigkeiten. Mit ca. 60km/h fährt der Zug von Bremen über Bassum, Sulingen, Rahden, Espelkamp, Lübbecke, Heddinghausen, Bünde, Herford, Bielefeld, Brackwede, Paderborn, Büren, Brilon, Willingen, Usseln, Korbach, Herzhausen, Frankenberg, Wetter, Sarnau, Marburg, Gießen, Butzbach, Bad Nauheim, Friedberg nach Frankfurt. Bedingt durch die vielen kurzen Aufenthalte und die zumindest früheren Lokwechsel sinkt die Reisegeschwindigkeit auf 48km/h an diesem Dienstag im Jahre 1965. Der Gegenzug benötigt sogar sieben Minuten länger; er startet um 9.29 Uhr in Frankfurt und läuft 18.48 Uhr in Bremen ein. Um 14.10 Uhr wird er hier in Büren Halt machen. D. h., ich sehe den Zug um 14.08 Uhr auf der Heide vorbeirauschen! Hinter der Diesellok laufen heute ein Postwagen, ein Gepäckwagen und vier silberne Eilzugwagen. Wie gern würde ich dort sitzen und mitfahren. Nur, zeit meines Lebens war ich nie Fahrgast in meinem schönen Heckeneilzug. So habe ich ihn auf meiner Anlage nachgestellt; ‘mal läuft er mit ‘ner V100, ‘mal mit ‘ner 50er Dampflok in Büren ein. Mal ehrlich, wenn die Lokpfeife der Roco-Lok ertönt, bilde ich mir jetzt noch ein: genauso schmetterte eine 50er vor dem Heckeneilzug und speziell vor Güterzügen in den 1960er Jahren den Ton heraus. In der Dämmerung oder im Dunkeln an Wintertagen konnte einem kleinen Knirps Angst und Bange werden, wenn die Lok neben dir vorbeidonnerte und die Lokpfeife dich erschauern ließ.

Das erste Eilzugpaar von Bremen nach Frankfurt und umgekehrt startete mit dem Sommerfahrplan im Mai 1949. Es trug den Namen E151/E152. Für unsere Region von Brilon bis Paderborn war es ein Fortschritt, konnte man doch nun direkt zu den Eisenbahnknotenpunkten im Norden und Süden gelangen. Anfangs wurden auf dem Nordabschnitt Bremen bis Paderborn fast ausschließlich Loks der Baureihe 38 eingesetzt, zwischendurch angelöst durch die BR23, später ersetzt durch die BR03. Im bergigen Mittelabschnitt der 443km langen Strecke wurden die Dampoflokomotiven der BR50 verwendet. Auf dem Südabschnitt Marburg – Frankfurt (Main) gab es wieder diverse Baureihen, die als Zuglok dienten: BR23, BR39, BR01. Ab 1953 lief das Eilzugpaar unter der Nummer E4151/452, die zum Ende noch einmal geändert wurden (E852/E853 und E1762/E1763 ab 1969/1970). Nach dem Aus der Dampflokomotiven als Zuglok für den Heckeneilzug im Jahre 1965 wurden Dieselloks der BR V100.20 mit einem 1350PS Motor eingesetzt. An Wochenenden und Feiertagen hatte der Zug ein höheres Gewicht. In diesen Fällen fuhr die DB mit V100.20 in Doppeltraktion, um die Fahrzeiten einhalten zu können. Später erstzte man die V100.20 durch die 1900PS starke BR216. Nun konnte auch die Doppeltraktion entfallen.
Der Heckeneilzug Frankfurt-Bremen wurde zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichen Loks gefahren. Im Jahre 1958 habe ich diesen Lokplan gefunden:
- Frankfurt – Marburg: BR 23 (auch BR 39); Bw Gießen
- Marburg – Bielefeld: BR 50; Bw Treysa
- Bielefeld – Bremen: BR 38.10-40; Bw Bremen Hbf
- Bremen – Bielefeld: BR 38.10-40; Bw Bremen Hbf
- Bielefeld – Marburg: BR 50; Bw Treysa
- Marburg – Frankfurt: BR 23 (auch BR 39); Bw Gießen

Schaut man sich die Zugbildung in den späten 1950er Jahren an, war i. d. R. folgende Zusammenstellung üblich:
Lok (diverse BR) – Postwagen Post4m – Behelfspackwagen MPw (auch Pw4y oder Sitz- und Gepäckwagen) – 3 Eilzugwagen B (2. Klasse), 1 Eilzugwagen AB (1. und 2. Klasse). Zwischen Frankfurt und Korbach wurde in beiden Richtungen ein 7ter Wagen, ein Kurswagen AB, mitgeführt.
Typisch: Lok :: Post4m :: MPw :: B :: B :: AB :: B [:: AB] oder Lok :: Post4m :: Pw4y :: B :: B :: AB :: B [:: AB]
Auch Züge mit 8 Eilzugwagen waren in den späten 1950er Jahren häufiger anzutreffen. Zunächst fuhr der Zug in den Anfangsjahren mit einem Postwagen, einem Gepäckwagen und 5 bis 6 Schürzenwagen, später wurden Mitteleinstiegswagen und noch später (1967) Silberlinge (1x 1./2. Klasse, 3 mal 2. Kl.) gefahren. Ab 1967 entfiel der Postwagen.
Für mich war der Heckeneilzug E451/452 in den 1950er bis Mitte der 1960er Jahre am interessantesten: lange Züge, unterschiedliche Lokomotiven, Dampf! Herrlich!!!
Heckeneilzüge
Zu Beginn der Bundesbahnzeit in 1949 durfte auf Hauptbahnen mit max. 100km/h gefahren werden. Manche Hauptbahnen entsprachen auch nicht immer der kürzesten Verbindung zwischen zwei großen Städten. So wurde die Idee geboren, große Städte unter Einbeziehung der Nebenbahnen auf kurzem Weg zu verbinden (siehe Karte rechts). Nachteil: ein eher geringer Zeitverlust. Vorteile: wichtige Zentren in Deutschland erhielten zusätzliche Verbindungen, kleinere Städte/Kreisstädte und Fremdenverkehrsgebiete bekamen umsteigefreie Verbindungen zu Großstädten und wichtigen Bahnknotenpunkten. Weil auf der Fahrt durch meist ländliche Gegenden vielfach auch an Hecken vorbeigefahren wurde, entstand der Begriff des “Heckeneilzugs”.
Auf der Almetalbahn fuhr zwei Jahre lang, von Mai 1963 bis Mai 1965, ein weiterer Eilzug, der sogenannte Kardinalsexpress, der die beiden Bischofsstädte Köln und Paderborn verband. Zum Kardinalsexpress habe ich weiter unten einige Daten gesammelt.






























Info zur Lokbespannung des E451/452 mit E-Loks der BR141
Am 21. März 1967 wurde der durchgehende elektrische Zugbetrieb von Kassel nach Frankfurt (auf der sog. „Main-Weser-Bahn“) aufgenommen. Seit diesem Zeitpunkt verkehrten auf dieser Hauptstrecke nur noch Züge mit elektrischer Traktion. Elektrotriebwagen waren damals noch weitgehend unbekannt. Anfang der 70er Jahre wurden die Züge mit Loks der BR 140, 150 und 194 wie folgt bespannt: Dg, Dm, De, Dgm sowie Ng mit Lasten von 1600 to, bei schnellfahrenden Sg und SgK bei 1000 to. Die D- und F-Züge mit Loks der BR 110, die N- und E- Züge mit Loks der BR 141.
Damals führte der Heckeneilzug F – HB zwei Kurswagen auf der Main-Weser-Bahn mit sich, und zwar sowohl auf der Hin- wie auch der Rückfahrt. Der nordwärts fahrende Eilzug, der mit einer Lok der BR 141 bespannt war, führte zwei Kurswagen nach Kassel mit. Die Zugtrennung erfolgte in Marburg auf Gleis 8. Der Eilzug hatte bei der Ankunft in Marburg insgesamt acht Wagen (einschl. Gepäckwagen) dabei. Nach der Trennung fuhr der eigentliche Heckeneilzug mit einer Lok der BR 216 und sechs Wagen in Richtung Korbach – Paderborn – Bremen über die Nebenbahn. Nachmittags um 15 Uhr war es genau umgekehrt: Der N aus Kassel mit zwei Kurswagen setzte sich in Marburg vor den abgespannten Bremer Heckeneilzug und fuhr nach Frankfurt mit insgesamt acht Wagen weiter!
Ralf Lüer, Korbach.
Der Heckeneilzug Paderborn - Köln E697/E698
Von Mai 1963 bis Mai 1965 fuhr zwischen den beiden Bischofsstädten Paderborn und Köln ein Eilzugpaar, der E697/698, über die Almetalbahn. Die Züge waren mit Diesellokomotiven der Baureihe V100.10 bespannt und i. d. R. mit drei Eilzugwagen vom Typ “Silberling” unterwegs. Wegen der Bischofsstädte als Start- und Zielort sprach man auch vom “Kardinalsexpress”. Der Zuglauf führte durch das Sauerland (siehe Karte) und wurde wegen fehlender Nachfrage nach zwei Jahren wieder eingestellt. Fahrpläne lagen mir leider nur unvollständig vor. Dank des Teams von der Miniaturwelt Eslohe (Kaspar!) ist der Sommerfahrplan nun vollständig. Heute sind Teile der alten Strecke stillgelegt oder als Radweg ausgebaut. Eine Radtour auf dem Sauerland Radring Nordschleife lässt die alte Streckenführung tw. erkennen bzw. erahnen. Einzelne historische Wandtafeln geben interessante Hinweise zur ehemaligen Bahn dort.



Die untenstehenden Gleispläne sind von sporenplan.nl.













Der Heckeneilzug im Modell





















Hier habe ich die “Wochenendausgabe” des Heckeneilzugs aus den 1950er Jahren auf meiner Modellbahn nachgebildet. Zugverbund aus Dampflok BR 39 mit 9 Wagen, bestehehend aus Mitteleinstiegswagen, Gepäckwagen und Postwagen. Inspiriert hat mich ein Foto von Dr. Rolf Brüning bei Marburg.