Eine Straße verändert ihr Gesicht - die Briloner Straße seit 1900.
Mein Opa hat an der Briloner Straße von 1923 bis 1925 unser Haus gebaut. Es gehörte zu den ersten Häusern hier außerhalb des inneren Stadtkerns. Mittlerweile hat sich das Straßenbild sehr nachhaltig verändert. Ich versuche in alten und neuen Aufnahmen Veränderungen zu zeigen, aber auch Zeitzeugen mit ihren alten Erinnerungen zu Wort kommen zu lassen. Auch hier gilt: wer mich zusätzlich unterstützen kann und möchte, ist herzlich willkommen. Friedel H. Weber









Briloner Straße: Detailaufnahmen von 1900 bis heute.




















Links neben Schumachers war der Schumacher und Schuhverkauf Voßmann, Briloner Str. 10. Später betrieb dort die Familie Rohm ein Textilgeschäft. Ansonsten waren in diesem Bereich der Briloner Straße noch zu sehen: Lebensmittelgeschäft Werner, Schuhhaus Spenner, Textilhaus Roolf, Radio- und Fernsehen Reichert, Maler Lüke, Schmiede Riepe. Dazu eine Schuhreparatur, das Auto-/Motorrad-/Fahrradgeschäft Sobizack und die Gaststätte Dorls. Es handelte sich um eine Straße mit interessanten und vielfältigen Angeboten auf kleinem Raum. Innerhalb von zwei Fußminuten konnte man hier erreichen: Bäcker, Metzger, Lebensmittel, Textilien, Bücher, Schuhe, Radio und Fernsehgeräte und manches andere!









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Geschichten auf und neben der Briloner Straße
Anfang 1945, Zweiter Weltkrieg. Auch Büren ist von den Luftangriffen der alliierten Bomber betroffen. Es ist 3 Uhr nachts. Die Sirenen kündigen den nächsten Luftangriff an. Oma Anna Weber muss sofort los, sie ist Luftschutzwartin. Zu Hause soll Tochter Änne das Haus bewachen, obwohl ein Verbleib im eigenen Haus nicht erlaubt ist. Oma Weber befiehlt, Änne hat zu gehorchen. Wer weiß, ob nicht Fremde sich am Eigentum Oma Webers vergehen. Das bedeutet, Enkelin Marianne, Ännes älteste Tochter, muss mit den noch jüngeren Geschwistern im Dunkel der Nacht den Weg in den Luftschutzkeller nehmen. 400m bis zum Ende der Straße; es ist dunkel und kalt, und dann ist da noch die unbarmherzige Luftschutzwartin. Der Luftschutzkeller befinder sich hinter Ruthen Haus unter der Briloner Straße; Eingang von der Kanalseite, Ausgang an der Friedhofsseite. Die aus dem Schlaf gerissenen Kleinen wimmern. Die Luftschutzwartin in diesem Raum, Frau Guthoff, wird böse und schreit die Kleinen an. “Ruhe, ich kann den Volksempfänger nicht hören!”, brüllt sie die Kinder an. Die Geschwister sind verstört, das Wimmern wird lauter. Marianne Lappe ist noch keine 11 Jahre alt! Das Szenario wird sich mehrmals wiederholen.
Späte 1960er Jahre, kurz bevor es dunkel wird. Am Nachmittag haben wir im Schnellgang die Hausaufgaben erledigt. Dann ab in den Wald; Kehlberg oder Klostergrund waren angesagt, immer mehrere Kinder oder Jugendliche zusammen. Später dann schnell etwas essen. Wenn der Brenkener Bäcker Hessling frisches Brot gebracht hatte (mittwochs und samstags jeweils 2 bis 3 1500g Brote), dann konnte ich schon ‘mal 4 bis 6 Schnitten vertilgen; mit Leberwurst oder Blutwurst aus der “eigenen Wursterei”. Käse war schon etwas exotischer, den mussten wir kaufen und der war nicht täglich verfügbar. Bananen z. B. waren auch selten auf dem Tisch. Äpfel und Birnen oder Pflaumen hatten wir ja selbst im Garten; in Holthaus Garten waren die leckersten Birnen am Baum. Entweder auf den Pfosten mit der spitzen Eisenstange klettern und sich sehr, sehr lang machen, oder sehr vorsichtig in den Baum einsteigen. Sich nur nicht erwischen lassen! So , jetzt aber zurück zum Anfang. Nach der späten Nachmittagsmahlzeit ging es noch einmal auf die Straße. Es wurde Fussball gespielt. Einer stand in unserer Garageneinfahrt, der andere auf der Gegenseite im Graben. Dort am Hang unter Nietmanns Haus (einen Bürgersteig gab es nur auf unserer Seite) waren zwei kleine “Torpfosten” (Steine o. ä.) im Gras gebaut worden. Die Plastikbälle wurden nun hin und her geprügelt. Verkehr störte nicht, die kamen deutlich weniger Autos als heute vorbei. Wenn wir die Pfosten nicht mehr sahen, war Schluss. Oder wir spielten noch länger direkt auf der Fahrbahn unter den Straßenlaternen. Niemanden hat dieses Spiel gestört.
Die Winter waren in den Jahren meiner Kindheit und Jugend deutlich härter und länger. D. h., wir konnten auch in Büren noch richtig Schlitten fahren. Im Kehlberg war selbst Ski-Fahren gut machbar. Sehr gut lief das Schlittenfahren bei uns am Eselsweg. Rechts und links meist kleine Schneewände, die Schotterfahrbahn des Eselswegs war plattgefahren (oder getrampelt durch uns) und vereist. Als Bob zu zwei Schlitten gekuppelt mit 4 Personen bergab, unten bei Soers recht um die Ecke und noch bis zur Zentrale (= E-Werk). Oder bei guten Schneeverhältnissen über die Kanalbrücke und dann noch hinunter in die Wiese. Hmm, gehörte die vielleicht Stövers? Könnte sein. Die größere Person lag auf dem Schlitten, die kleinere, leichtere saß auf dem Rücken. So ging das ‘zig Mal den Berg hinunter. Ganz Mutige bezogen noch den steilen Berg neben Sobizacks mit ein. Aber du musstest dich darauf verlassen können, dass ein zuverlässiger Beobachter “Strasse frei” vertrauenswürdig schreinen würde. Dann war noch mehr Tempo schon oben am Eselsweg der Garant für eine Fahrt mit hohem Spaßfaktor. Die schönsten Momente waren die, wenn man gewollt oder ungewollt vom Weg abkam und sich überschlug. Nur auf die eingekuppelten Füße im hinteren Schlitten musste man echt aufpassen. Handschuhe hatten wir auch, aber die Wollhandschuhe waren nach einer Viertelstunde durchnässt und vor Kälte steif. Wie die Finger. Der GAU. Du musst pinkeln und kriegst die Knöpfe deiner Hose nicht auf und/oder nicht mehr zu. Das konnte schon mal in die Hose gehen…
Am nächsten Morgen, 7.30 Uhr. Ich habe mich immer auf die höchst spannenden Anfahrversuche von Theo Soer vor der Schule gefreut. Die Nase am Fenster und schauen: 30m und Gejaule, 40m und Gejaule, 50m, beim vierten Versuch hat es dann meist geklappt, dass er hochgekommen ist in seinem grauen Opel Rekord Caravan, Bj, 1963. Mit welchem Tempo der danach jeweils zurückrollen konnte, um erneut Anlauf zu nehmen. Respekt. Herr Soer war der Leiter der VEW Büren, die ihre Dienststelle oben auf der Heide (Bühl) hatte. Er hat uns nie verboten, durch Schlittenfahren die Fahrbahn so “unbefahrbar” zu machen. Danke noch heute dafür! Später (nach der Pensionierung) waren Hilde und Theo Soer gute Bekannte meiner Eltern und öfters bei uns zu Hause. Sehr nette Leute, mit einem riesigen Kirschenbaum vor ihrer Haustür, der so leckere Kirschen trug.
Anfang der 1990er Jahre. Ich sitze bei schönstem Spätsommerwetter auf unserem Balkon mit Blick zum Garten. Was macht ein Lehrer am Nachmittag bei Sonnenschein? Korrigieren, genau richtig. So nach einer Stunde höre ich einen lauten Knacks und einen Schrei. Ich schieße aus dem Stuhl, sehe im Augenwinkel meine Mutter Kunigunde aus dem Kirschbaum keine 5 Meter von mir entfernt zu Boden stürzen. Ich meine, sie war noch nicht auf dem Boden aufgeschlagen, als ich schon durch die Küche rannte, Tür auf, Treppe in 4er Sätzen herunter, Tür auf, 6, 8 Sprünge und ich stand auf dem Rasen neben meiner Mutter. Ach du Sch…; ein abgebrochener Ast hatte sich in die Wade gebohrt, das Blut sickerte heraus; sie war bei Bewußtsein und ansprechbar. Ich habe etwas mit ihr geredet (heute keine Ahnung mehr, was) und bin dann wie der Blitz wieder hoch zum Telefon gerannt. 112 und nach einer gefühlten Ewigkeit kam der Krankenwagen. Ab ins St. Nikolaus-Hospital. Für Mama ja kein unbekannter Ort in Büren. Gott sei dank hatte sie sich nichts gebrochen, keine Wirbelverletzung. Mann oh Mann, seit diesem Tag weiß ich: Kirschbaumäste brechen sowas von schnell, da hast du keine Chance mehr, dich irgendwo im Baum noch festzuhalten. Und. Schutzengel muss man haben!









































Maßnahmen für Lärmschutz sorgen für mehr Krach an Briloner Straße in Büren
aus: Neue Westfälische am 31.08.2019


